Zusammenarbeit stärkt den Kiebitz in Marburg-Biedenkopf – Der Vogel des Jahres 2024 ist vor allem im „Amöneburger Becken“ zuhause
Marburg-Biedenkopf – Kiebitze werden auch im Landkreis Marburg-Biedenkopf immer seltener. Deshalb arbeitet die Kreisverwaltung mit vielfältigen Akteuren zusammen, um den Vogel zu schützen: Von Landwirtinnen und Landwirten über die NABU-Ortsgruppen bis hin zum Landschaftspflegeverband des Landkreises als wichtige Schnittstelle.
Der taubengroße, schwarz-weiß gefärbte Kiebitz ist eine sogenannte Vogelart des Offenlandes und gehört zur Gruppe der Wiesenbrüter. Das bedeutet, dass er als bodenbrütende Art seine gut getarnten Eier auf niedrig bewachsene Wiesen, Weiden oder Ackerflächen legt. Die Vögel bleiben ihrem Standort bei der Brut häufig treu, bevorzugen also ihre Brutplätze der Vorjahre. Kiebitze sind im Landkreis traditionell im Amöneburger Becken zu finden, das in früheren Jahren einer der „Hotspots“ für Wiesenbrüter in Hessen war. Die Vögel nutzen die Region als Brut- und Rastplatz, daher liegt dort auch der Schwerpunkt der Schutzmaßnahmen für den Vogel.
Bereits Mitte der 2010er wurde auf Initiative der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Marburg-Biedenkopf die Arbeitsgruppe „Wiesenbrüter“ gegründet, die sich unter anderem für den Kiebitz einsetzt. Ihre Kernaufgabe ist die Vernetzung zwischen dem behördlichen und dem ehrenamtlichen Naturschutz, weshalb sie aus Mitarbeitenden der Kreisverwaltung und Mitgliedern verschiedener Naturschutzverbände besteht.
Dieser Gruppe gehört auch der Fachbereich Ländlicher Raum und Verbraucherschutz des Landkreises an, der seitdem regelmäßig verschiedene Maßnahmen zum Schutz der Kiebitze umsetzt. Besondere Bedeutung haben dabei zwei Ackerflächen bei Kirchhain, da dort vergleichsweise viele Vögel brüten. Auf beiden Ackerflächen lässt der Kreis im Rahmen der Schutzmaßnahmen sogenannte Schwarzbrachen anlegen. Das bedeutet, dass diese Flächen im Frühjahr und Sommer mit keiner Feldfrucht bestellt werden und somit brach liegen. Das nutzt wiederum den Kiebitzen, die somit freien Raum für Nester und Rast finden.
Hand in Hand für den Kiebitz
Ortsansässige Landwirtinnen und Landwirte stellen diese Flächen zur Verfügung und bereiten die Schwarzbrache vor. Zur Brutzeit des Vogels wird ein Zaun zur Abwehr von Fressfeinden um eine der beiden Ackerflächen aufgestellt. Denn Eier und Jungtiere könnten ansonsten von natürlichen Feinden des Vogels wie beispielsweise Waschbären, Füchsen und Wildschweinen gefressen werden. Die NABU-Ortsgruppe Kirchhain übernimmt jedes Jahr ehrenamtlich den Auf- und Abbau des Zaunes, hält ihn instand und dokumentiert die Anzahl der Kiebitze auf der Fläche. Der Fachbereich Ländlicher Raum und Verbraucherschutz organisiert die Finanzierung der Maßnahmen mithilfe von Fördermitteln des Landes Hessen.
„Der Einsatz für den Kiebitz macht deutlich, dass wir als Landkreis den Natur- und Artenschutz gemeinsam angehen. Denn nur so kann das nachhaltig gelingen“, betont Landrat Jens Womelsdorf. Es sei wichtig, unterschiedliche Akteurinnen und Akteure mit ins Boot zu holen, um notwendige Maßnahmen ganzheitlich umzusetzen und verschiedene Aspekte zu berücksichtigen.
Damit erhält der Kiebitz dringende Unterstützung, die auch notwendig ist. Denn die Zahl der Vögel ist auch im Landkreis rückläufig: Gab es in den 1960er-Jahren noch rund 250 Brutpaare im Kreis, waren es im Jahr 2015 nur noch etwa 20 Paare. Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig. Doch insbesondere die Intensivierung der Landwirtschaft sowie anhaltende Trockenheit, bedingt durch den Klimawandel, sind wichtige Ursachen. Denn sie sorgen dafür, dass arten- und insektenreiche Lebensräume für den Kiebitz wegfallen und feuchte Stellen zur Nahrungssuche und Aufzucht der Jungtiere verloren gehen.
Und auch negative Verhaltensweisen von Menschen, beispielsweise bei Freizeitausflügen, können den Vögeln schaden. Durch das Verlassen ausgewiesener Wege beim Spaziergang oder Joggen oder wenn Hunde nicht an der Leine geführt werden, können eigentlich geeignete Brutplätze von den Vögeln ungenutzt bleiben oder in verlassenen Nestern Eier auskühlen.
Landschaftspflegeverband als neue Schnittstelle
Seit diesem Jahr dient erstmals der Landschaftspflegeverband (LPV) als Schnittstelle der verschiedenen Akteure, indem er die Abstimmungen mit Landwirtinnen und Landwirten sowie Naturschützerinnen und Naturschützern in Zusammenarbeit mit dem Landkreis übernimmt.
„Über die enge Zusammenarbeit mit dem neuen LPV erhoffen wir uns, unsere erfolgreiche Arbeit in der Landschaftspflege weiter ausbauen zu können und den kooperativen Ansatz im Naturschutz zu stärken“, sagt Heike Wagner, Leiterin des Fachbereichs Ländlicher Raum und Verbraucherschutz. „Die gute und enge Zusammenarbeit aller Beteiligten ermöglicht erst die Umsetzung solcher Maßnahmen“, ergänzt Andreas Trepte, Vorsitzender des NABU-Kreisverbandes und stellvertretender Vorsitzender des Landschaftspflegeverbandes. Die Anzahl der Kiebitze sowie der erfolgreichen Bruten werden von der Arbeitsgruppe „Wiesenbrüter“ jährlich dokumentiert. So ließ sich ermitteln, dass es in 2022 im Landkreis etwa 35 Kiebitzbruten gab – und damit mehr als in allen anderen Jahren seit 2015. Die immer noch zu niedrige Zahl der erfolgreich aufgewachsenen Jungvögel zeigt aber, dass die Sicherung der Zukunft des Kiebitzes langfristig notwendig bleibt.
Hintergrund zum Landschaftspflegeverband
Der Landschaftspflegeverband Marburg-Biedenkopf wurde 2021 gegründet. „Das Besondere an Landschaftspflegeverbänden ist die Drittelparität. Dies bedeutet, dass die Gremien des Vereins zu gleichen Teilen mit Vertreterinnen und Vertretern der Landwirtschaft, der Kommunen und des Naturschutzes besetzt sind. Dadurch ist es möglich, Projekte gemeinsam und gleichberechtigt zu planen, umzusetzen und die daraus entstehenden Synergieeffekte zu nutzen“, erklärt Judith Ziemek, Geschäftsführerin des Landschaftspflegeverbandes. Ziele des Vereins sind neben dem Erhalt und der Pflege der Kulturlandschaft auch der Schutz von seltenen und geschützten Lebensräumen und Arten, darunter auch der Kiebitz.